Dienstag, 21. Oktober 2008

Gymnastik mit Fantasienamen revisited

Du weißt, dass du einen Yogakurs bei Satan gebucht hast, wenn dein Lehrer die erste Stunde damit beginnt, 10 Minuten eindringlich die Teilnehmer anzustarren, sich dabei mutmaßlich ihre Namen einprägend für spätere Stalkingversuche. Darüber hinaus widersprach der erste an den Kurs gerichtete Satz auch allem, was ich bisher über das eher auf Gleichmut, Frieden und Balance ausgerichtete Selbsttäuschungsprogramm mit Bauchmuskeltraining, als dass ich Yoga bis jetzt kennen und lieben gelernt habe, erfahren habe:


"Es geht hier darum, dass ihr Verantwortung für euch selbst übernehmt."

Ach wirklich, du Clown? Alleine die ANWESENHEIT in einem Sportkurs zeigt ja wohl, dass man Verantwortung für sich selbst übernimmt.

Was er damit ausdrücken wollte war, man müsse wohl selbst einschätzen können, ob man die hanebüchenen Bewegunsabläufe, die er mit sadistischem Vergnügen am Scheitern seiner Opfer immer und immer wieder wiederholte und variierte, aus Gründen der Selbstachtung irgendwann abbrechen würde oder ob man aus Angst vor einem weiteren Starr-Wettbewerb lieber bis zur absoluten Erschöpfung 34x unwidersprochen zwischen auf dem Boden liegen, Liegestützen, dem "Berg" und im Stehen die Arme hochstrecken wechseln würde. Ich beließ es dabei, irgendwann bäuchlings mit Gesicht nach unten auf der Matte zu verweilen und damit die Verantwortung für meine geistige und körperliche Gesundheit zu übernehmen. Ich atmete lieber schweißdurchtränkten Gummi als dieser indisch-inspirierten Version eines Drill Instructors bei seinem Teufelswerk zu folgen. Großartig auch, wie er ausschließlich die Sanskrit-Bezeichnungen für die Positionen benutzte (also Bhujangasana statt Kobra, ja, das musste ich googlen), so dass man nicht mal ahnte, womit er einen jetzt behelligen wollte. Fun Fact: Der Typ sieht aus wie der semi-heiße Georg Mascolo, dessen Unterhemd unterm halbtransparenten Oberhemd mit noch immer sehr positiv in Erinnerung geblieben ist:



Ich trauere dem Hippie- Lehrer aus dem ersten Yogakurs hinterher, der mindestens genauso beweglich war wie Mascolos Höllenzwilling, dabei jedoch deutlich häufiger lächelte (das heißt, er lächelte überhaupt) und den Focus auf Entspannung, Balance und inneres Gleichgewicht legte. Denn darum geht es verdammt noch mal im Yoga! Und "Frieden, Frieden, Frieden." (Abschlussworte jeder guten Yogasession). Namaste.

Freitag, 17. Oktober 2008

Entsetzliches Sitzen.

Lied des Tages:

http://www.mtv.de/videos/2933202

Frage des Tages: Wird man potentiell weniger zum Arschloch wenn man sich fragt, ob man selbst das Problem ist oder die anderen?

Hervorragende Idee, um sich selbst von universitären Pflichten abzulenken, solche Selbstumkreisungen. Noch bessere Idee: Mein neuester Versuch einer Hausarbeit bei der Adorno-verliebten-Godmother-of-Geisteswissenschaft mit noch mehr abstrusen Belegen meiner vor dem Fernseher vergeudeten Jugend zu spicken. Ich arbeite an einer völlig subjektiven Typologie dessen, was ein Franzose und ein Italiener ohne Fernseher "Neofernsehen" nennen. Man kann es ihnen nicht verübeln: Letztlich hat Rai zum Aufstieg der dreisprachig stammelnden Michelle Hunziker beigetragen. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob sie es mit Marcel Reich-Ranicki halten bzw. er mit ihnen indem Kenntnis keine Vorraussetzung mehr für Kritik ist. Beim Bild von Casetti und Odin ist, dass sie einmal auf dem Weg in den philosophischen Lesekreis an einem Fernsehgeschäft vorbeigekommen sind und dort "Tutti Frutti" lief oder "Wetten, dass", Sendungen, die meinem geliebten Fernsehen einen schlechten Namen geben. Oder eben gerade nicht: Wer etwas über Quantenphysik lernen will, liest gleich ein Buch. Fernsehen ist Unterhaltung, es darf hirnverbrannt sein, gemein und oberflächlich. Warum sollte es besser sein als die Welt, die es umgibt? Warum muss Fernsehen Volksbildung sein? Woher nimmt sich alter Literaturkritiker, der mutmaßlich einen guten Teil seines Verdienstes eben dem von ihm verteufelten Fernsehen schuldet, das Recht, einen Preis und ein Medium in Bausch und Bogen niederzuquatschen und dessen Preisträger als unwürdig seiner Gesellschaft zu bezeichnen? Wenn "Deutschland sucht den Superstar" ausgezeichnet wird, dann nicht, weil Bohlen dort junge Menschen beleidigt, sondern weil dort an technischem Aufwand und Live-Risiko wöchentlich das gestemmt wird, was das ZDF einmal monatlich hinkriegt. Und wenn am gleichen Abend Sven Kuntze mit seiner hervorragenden Selbsteinweisungs-Reportage über Altenheime und Modelle des Wohnens im Alter mit einem Preis von der Bühne geht, dann steht es jemanden wie Reich-Ranicki, der das letzte Mal vor 10 Jahren irgendetwas relevantes in einem öffentlichen Diskurs beizutragen hatte, nicht an, das zu negieren.
Predigt beendet. Bei aller Apologetik stimmt es mich schon etwas bedenklich, wenn ich mich nicht nur an das Schöneberger-Desaster "Girlscamp", sondern auch noch den Pinkel-Skandal von "Die Burg", das D-Promi-Linup von "Die Alm" sowie die wirklich sehr obskure Sendung "Fort Boyar" erinnere. Ich werde, ich will, ich muss daraus eine verachtete Hausarbeit stricken. Scheinfreiheit ist wichtiger als wissenschaftliches Standing, ist doch logisch. Das Berufsziel Professorin hab ich ha zum Glück schon mit 11 aufgegeben. Damals erfuhr ich, dass man in seinem Büro keinen Kabelanschluss hat.
Zum Schluss Plevka für das schöne Leben:

Sonntag, 5. Oktober 2008

Ohne Hass und Peinlichkeit

Wenn man den Sonntag verkatert und ungeduscht mit der Dauerberieselung durch RTL 2 verbringt in einem Zimmer, das aussieht, als hätte die GSG 9 zum Frühstück reingeschaut, dann ist das entweder die Normalität urbaner twens, wie sie von US-Unterhaltungsserien propagiert wird oder es ist der erste Schritt in die Verwahrlosung, wobei ich mich in diesem Zusammenhang gerne daran erinnere, wie der Vater eines Freundes einst nach sorgenvollem Blick auf seinen Sohn meinte, dieser sähe "irgendwie verwahrlost" aus, man hatte sich zuvor einige Monate nicht gesehen. Diese charmante Lebensstil-und-Look-Evaluation fand bald Einzug in den Jargon der Menschen, neben denen ich damals stand und darauf wartete, dass die Hofpause vorbei war.
Was hat mich bloß so ruiniert? Was generell nur schwierig und nicht ohne Rückgriff auf Kristallkugeln und eine Frau mit Buckel, schwarzer Katze und falschem slawischen Akzent zu beantworten ist, ist auf dieses Wochenende bezogen relativ leicht einzugrenzen auf einen Abend, der acht Uhr mit dem fantastischen "Scheinfranzosen" (Selbstbeschreibung) Jacques Palminger und seiner noch fantastischeren Veranstaltungsreihe "Songs for Joy" begann und halb sechs Uhr morgens mit der unaufgeforderten Aussage "Ick habe keine Spieße mehr" eines Würstchenverkäufers endete. Die Songs for Joy bestanden aus Texten enttäuschter bis optimistischer Mitbürger und trugen Titel wie "Ach, leck mich doch..." oder irgendetwas Französisches, was ich nicht verstanden habe, und wurden allesamt mit wundervollen Akkorden und Rhythmen versehen seitens der drei Abendverantwortlichen um Palminger, wobei mein Lieblingslied von diesem hervorragend tanzenden Herrn zum Besten gegeben wurde und bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich aus den Worten "Smick Smack" bestand. Die Ausnahmen waren die weisen Zeilen: "Es ist an der Zeit, dass die Menschheit versteht, dass Frösche keine Hosen brauchen." Über die Bedeutung dieser Worte zu sinnieren blieb wenig Zeit, wurde doch schon wenig später das ekstatische Publikum zu einer Spontandemonstration vor dem Haus der Kanzlerin aufgefordert. Offensichtlich hatte der Texter des letzten Songs Angela Merkel als Verursacherin seiner andauernde Arbeitslosigkeit und daraus resultierendem Hunger ausgemacht. Da sie nur zwei Straßen vom Veranstaltungsort entfernt wohnt, schien sich ein Protestmarsch zu ihrem Haus nebst Singen des Refrains "Komm mit, Stück für Stück!" mehr als aufzudrängen. Außerdem war es schwer, gesungenen Aufforderungen wie "Szenetypen lasst das Glotzen sein, reiht euch in die Gruppe ein!" zu widerstehen. Einmal bei Angies Haus angekommen, stellte sich uns die Staatsmacht in ihrer ganzen Härte in den Weg: Zwei völlig Stoiker in Uniform schüttelten lapidar den Kopf, als sie gefragt wurden, ob "die denn nun da" sei. Als der zweite Polzeicorsa ankam, verließ der Protestmarsch die Szenerie. Uns war das Pflaster zu heiß geworden. Wir wären nicht der Stolz Ulrike Meinhoffs gewesen, Jacques und ich, wie wir nebeneinander singend friedlich zurück ins Theater marschierten. Nebenbei: Ist es faschistisch, wenn man sich am Gleichschritt erfreut?
Der weitere Verlauf des Abends brachte den Besuch einer Lokalität, in denen ich erstmals auf einer Tanzfläche den Satz hörte "Muss man denn hier fünf Stunden auf Roland Kaiser warten oder was?". Ich war naturgemäß begeistert.
Zum Schluss noch der Grund, warum ich Herrn Palminger ehelichen möchte: