Montag, 23. Februar 2009

lessons from south of the border

Was soll man sagen, wenn einem die Mitbewohnerin einen Link schickt mit dem Hinweis "TV-Tipp" zu einer Sendung namens "Bei Anruf schlank!"? Zum Glück bin ich vom ersten Yoga in 3 Wochen (und Ja, ich habe das spärliche Quentchen an Agilität, dass ich mir in 6 Monaten erarbeitet habe in dieser Zeit an den Pennymarkt und seine Qualitätsprodukte aus der Snackabteilung verloren- auch wenn es nichts brachte, vermisse ich es doch irgendwie, mit durchgedrückten Knien meine Füße umfassen zu können, wer weiß, ob ich mit dieser Fähigkeit in der heutigen Arbeitsmarktsituation nicht irgendwann einen Cirque du Soleil für Arme hätte eröffnen können...oder eher Obdachlose) noch so geschafft, dass ich mir die Kraft zur emotionalen Aufruhr fehlt. Letztlich meinte sie es ja auch nur gut und hat ihre Leidenschaft für Reportagen über Baupfusch, Abspeckfarmen und schieflaufende Auswanderungen (in dieser Reihenfolge) mir näher bringen wollen. Und ja, es ist lustig, wie die Kinder in dieser Sendung dazu gebracht werden sollen, mittels Handyfotos von allen Dingen, die sie am Tag essen, Kontrolle über ihr Gewicht zu erhalten. Wessen Herz erwärmte sich nicht beim Gedanken an die mit Sicherheit involvierten Alibimöhren und traurigen rohen Broccoliröschen, die nun von adipösen Adoleszenten in den Untiefen ihrer Baggy-Hosen verstaut werden um die übliche Tagesdosis an 4 Bigmacs (normal halt) zu vertuschen?
Letztlich ist es wohl der Zeitmangel für mein schönstes Hobby (= creepy loning) in den letzten Wochen, der mich so unemotional dieses hervorragende neue TV-Format betreffend sein lässt. Mein erster innerdeutsches Flug, noch dazu ins mir früher unangenehm durch Schnarchigkeit aufgefallene München, ein Familienfest mit dazugehörigen semi-peinlichen Ereignissen (= das Zusammentreffen alter und junger Menschen, die nur die Leidenschaft für Gebäck und ein paar Gene gemein haben, was allerdings schon ganz schön viel ist), die kafkaesken Vorbereitungen einer Prüfung, die ein Studium beendet, das mir wahrscheinlich einen schönen Platz in der Liga der arbeitslosen Akademiker einbringen wird, all dies überforderte mich leicht. Was ja an und für sich nichts schlechtes ist, zumindest besser als Langeweile. Immerhin lehrten mich diese Wochen und der Kongressbesuch in MUC folgendes:
1. Auch Professoren sagen dumme Dinge. Beispiel A: Der Prof mit nervösem Tick, der mich erst beim obligatorischen Buffettabasseln (Akademiker sind da nicht besser als sonstige Kongressteilnehmer...noch nie habe ich so konzentriert und lieblos Antipasti verschwinden sehen) anquatschte, dann stehenließ, als er merkte, dass ich weder seiner Karriere noch ihm persönlich dienlich sein kann und werde (man nennt das auch networken), und am nächsten Tag das Standardwerk "The Medium is the Massage (sic)" erwähnte. Ich weiß nicht, was peinlicher war: Sein Schnitzer oder die Tatsache, dass er mehrfach korrigiert wurde. Auf der Bühne.
Beispiel B: Verfasser eines "Standardwerks" über Ideengeschichte der Politik der Weimarer Republik (ich wusste nicht, dass es so etwas überhaupt gibt), der sich nach der Vorstellung einer Theorie, die den Habermasschen Gedanken des herrschaftsfreien Diskurs auf das Internet überträgt, meint: "Ihren Ansatz halte ich für fragwürdig...als Habermas das geschrieben hat, gab es noch gar kein Internet." Genau. Und es ist in keinster Weise fragwürdig, auf der einen Seite die Verquickung von Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaft anzuprangern und auf der anderen Seite im Namen einer PR-Agentur über Zivilcourage zu salbadern. Ich wusste, was das für ein Typ ist, als ich sah, wie er den Räucherlachs inhalierte.
2. München ist, wenn man jetzt mal nur Schwabing betrachtet und dabei den Friseur ignoriert, der am Schaufenster "Behandlung unter Vorbehalt" stehen hat (die 1860er Spieler samt Ladies möchten unter sich bleiben wenn sie sich Asi-Skunk-Frisuren machen lassen, die mal vor 4 Jahren modern waren), durchaus...äh...annehmbar. Ja, ich gebe es zu: Der Anblick der kleinen eingeschneiten Häuschen hat mich weich gemacht. Ich kann nicht glauben, dass sogar der Schnee leichter, sanfter und (gefühlt, ja doch) ruhiger fällt als in Berlin, das vergleichsweise sibirisch daherkommt. Andererseits gibt es in Berlin, ganz Russland untypisch, eine pluralistische Presselandschaft, während ich in München angeschaut wurde als trüge ich einen Sprengstoffgürtel als ich nach der taz fragte, in einem Zeitungsladen wohlgemerkt. Unter den 3 Publikationen, die nicht in Bayern produziert werden, war die Berliner Zeitung, die ich, wohlwissend, die erste Person in der Geschichte dieses Ladens mit diesem absurden Kaufwunsch zu sein, sofort zur Kasse trug. Dort ergab sich dann ein Dialog aus der Reihe "Weißblaue Geschichten" mit der Verkäuferin, die nicht glauben konnte, dass es Zeitungen gibt, die weniger als 1 Euro kosten, auch *schock* auswärts. Die Zeitungsgroteske setzte sich auf der Konferenz fort, auf der ich die taz im Besitz einer Mitteilnehmerin entdeckte. Was folgte, gab mir das Gefühl, Teil einer konspirativen Bande zu sein:
Ich: "Wo hast du denn die taz her? Ich hab heute morgen keine gesehen im Laden."
Sie: "Ich hab die *Stimme senkt sich* ...abonniert."
Ich: "Ach so."
Sie: "Ja, ich les die nämlich voll gern."
Ich: "Aha. Ich auch."
Sie: "Also, die gibts hier, soweit ich weiß, nur in EINEM Laden...am Sendlinger Tor...unten, wo´s zur U-Bahn geht."
Als sie begann, mir eine Skizze anzufertigen, drehte ich mich um und verließ den Raum. Der Boden war mir zu heiß geworden.
Was lernen wir daraus: Die taz ist in Bayern Bückware, ihr Besitz wahrscheinlich strafbar, wobei die Haft in der langsamsten (und teuersten) S-Bahn der Welt, richtig, der 60 Minuten Express zum Flughafen beim Hören eines Edmund Stoiber Medleys verbüßt werden muss.
3. Die Pinakothek der Moderne sollte verpflichtend von allen Menschen der Welt besucht werden, objektiv, wie es meine Art ist, würde ich es mal als das beste Museum der Welt bezeichnen. Wobei die Mitarbeiter irgendwie ABM-ig wirkten und sich neben Franz Marc über ihre Online-Dating-Eskapaden austauschten. Das war weniger schön.
4. Das Einzige, was die Österreicher mehr hassen als die Deutschen, sind wahrscheinlich die Bayern (ich merke, wie ich ins Franz-Josef-Wagnerhafte abgleite im Wahnwitz meiner Behauptungen). Die Bayern rächen sich mit einer Vergewaltigung des Wiener Caféhauses, was sie in einen Billardsalon mit Emporen aus Glasbausteinen, riesigen Tellergerichten und recht missmutigen Kellnerinnen verwandeln. Nicht völlig unsympathisch.
5. Es gibt massenhaft kleine Geschäfte in München. Herr Martenstein hat einfach nicht richtig hingeguckt.
6. Und Berlin ist trotzdem Sieger. Alleine, weil der Döner unter 3,50 kostet und nicht standardmäßig aus Putenfleisch besteht (wer kommt auf solche Ideen? Das einzige, was schlimmer ist, war der Fischdöner, der einst aus Exotikgründen im Grillhaus Oktagon an der Warschauer Brücke feilgeboten wurde und der hat, im Gegensatz zu den Kinderexemplaren in Bavaria, wenigstens gesättigt, zumindest solange man ihn bei sich behalten konnte), Menschen nach 0 Uhr auf den Straßen sind und nichts dabei finden, dass dies so ist (im Gegenteil, sie fragen Fremde gelassen "Und? Allet in Ordnung bei dir?" um das nächtliche Aneinandervorbeilaufen entsprechend zu würdigen) und allgemein auch Leute nicht im sozialen Wohnungsbau landen, die nicht gerade BWL, Medizin oder Jura studiert haben. Die Mischung machts nämlich. Und das mit den Übergriffen auf Busfahrer und/oder Schwule und Lesben wird auch nochmal anders. Hoffentlich.

Sonntag, 8. Februar 2009

24 Zeilen Hass

Auch wenn die Feststellung die Originalität der In-Flugzeugen-wird-immer-Tomatensaft-bestellt Bemerkung hat: Handyfreisprechanlagen bzw. Menschen, die in Kabel sprechen, während sie Bahn fahren, Essen, aus dem Fenster gucken und andere Dinge machen, die man auch unkommunizierend sehr gut machen könnte, nerven immens. Ich kann nicht glauben, dass ich heute insgesamt 3 mal neben jemanden sitzen musste, von dem ich anfangs dachte, er habe Tourette und/oder unterhielte sich mit seinen multiplen Persönlichkeiten, nur um dann festzustellen, dass ein winziges am Mund baumelndes Kabel Grund genug war, den gesamten Wagen teilhaben zu lassen an der restlichen Reise- und Lebensplanung. Es ist rücksichtslos und es ist unnötig. Es sind auch nicht die Mover und Shaker, die sowas tun, die fahren nämlich nicht ÖPNV sondern werden gefahren und brauchen ihre Hände für das Fummeln am Blackberry oder in Unterlagen, die ihnen weitere 45 Jahre marktbeherrschende Stellung sichern. Es sind die Prolls und Nervkühe, die ihre handyvertragsbedingte Überschuldung mit endlosen Sinnlostelefonaten (man hat ja FLATrate) endlos kommunizieren müssen während sie den Mehrwert freier Hände ins Einwerfen frittierten Abfalls bzw. Körperpflege investieren.
Vor lauter Wut habe ich jetzt mein hervorragendes Paprikahühnchen lieblos runtergeschlungen. Wenigstens hab ich mit diesem Anblick nur mich selbst belästigt.

Sonntag, 1. Februar 2009

Kilian Kerner Klan

Eine Erkenntnis, die meinen nicht vorhandenen Lebensplan wenig umwirft aber dennoch mal festhaltenswert ist: Ich kann nicht Journalist werden, wenn das bedeutet, dass man Anziehsachen, Schminke und Wer-wo-hingegangen-ist-um-gelangweilt-rumzustehen ernster nimmt als sagen wir mal die korrekte Zubereitung eines Wiener Schnitzels (Kalbfleisch! Wiener Art= Schwein). Anlass dieser Feststellung war der Besuch einer Party im Zusammenhang der Berliner Fashion Week, die aus naheliegenden Gründen (Schnitzel > Anziehsachen) an mir vorbeigegangen war ohne mehr als ein obligatorisches Registrieren einer Nachricht à la "Menschen tragen Sachen und zeigen sie in einem Zelt vor einer Kirche, Skandal." im Berliner Fenster von mir zu fordern. Das Fest wurde organsiert von einem Magazin. Das Magazin beschäftigt sich mit Mode und Musik. Das Magazin hat das Selbstverständnis eines Stil-Kompass´für Menschen, die sich gerne im kleinen Kreis wähnen und sich individuell finden, wenn sie American Apparel Werbefiguren imitieren. Das Magazin ist im Grunde genommen ein Werbeheft: Es geht eine strategische PR-Partnerschaft mit einem Musik- und Kleiderlabel ein und man promotet einander. Das ist beileibe kein Teufelswerk, neben Reise- und Autojournalismus ist das, was unter dem Begriff "Lifestyle" gehandelt wird (also die Vermarktung von Fitnessaccessoires des Paarungsmarktes) am anfälligsten für die Aufgabe des journalistischen Trennungsgebots zwischen redaktionellen Teil und Werbung. Das Problem fängt erst da an, wo man so tut, als würde sich die Zeitschrift aus etwas anderem finanzieren als dem Designer und der Band, die man promotet und von dessen kreativer Leistung am Abend des Festes ungefähr 600 Leute (inlusive mir) parasitär profitieren. Die Leier, das journalistische Qualität über Unabhängigkeit gesichert wird, ist alt, naiv und wahrscheinlich längst überholt. Gleichzeitig ist die professionelle Selbsttäuschung, die in diesem Job derjenige an den Tag legen muss, der weiter denkt als bis zur nächsten open bar, mehr, als ich mir zumuten mag.
Jetzt aber genug Wort zum Sonntag.
Gut am Fest war, Christiane Rösinger in echt zu sehen. Schlecht war, sie nicht ansprechen zu können ohne wie das Äquivalent zum sabbernden Tokio Hotel Fan bei der Verleihung des Bravo Ottos für besondere Leistungen für die Frisur des Jahres zu wirken. Also aus der Ferne schmachten und telepathisch mitteilen, wie groß die Verehrung ist. Sie war auch ins Gespräch vertieft mit Robert Stadlober, der auch irgendwie in dieser PR-Kiste aus Band, Klamotte und Heftchen drinhängt. Nun bitte vorbereiten auf den Satz, der bei einer Prominentensichtung unweigerlich dazugehört: Er war viel kleiner als ich dachte. Ebenso Anna-Maria Mühe, die ungefähr 1, 45 m groß ist, was sie zum absoluten Objekt der Begierde der anwesenden Männer machte, die nur eins mehr mag als einen Body-Mass-Index im einstelligen Bereich: Zwergenhafte Ladies, die ihnen das Gefühl geben, das erste Mal seit den Tagen des Game Boys auf Klassenfahrt mal wieder auf was aufpassen zu dürfen.
Das ist nicht die neue Bitterkeit, wie Frau Rösinger sie einst besang, es ist die blanke Wahrheit.
Zum Schluss noch eine kleine Verbraucherinformation zu meinem Bekleidungsausstatter.