Samstag, 7. Mai 2011

The pursuit of Züriness

Dass ich nun wirklich nicht mehr in Berlin bin sondern in Zürich, dass habe ich vorhin festgestellt: Ein Paar geht am Ufer eines Flusses spazieren, der, bis auf seine verdächtige Klarheit und Fließgeschwindigkeit in der Form auch nicht zwingend nicht durch märkischen Sand fließen könnte. Ich lasse sie vorbei, weil mich das Hecheln ihres asthmatischen Foxterriers im Nacken irritiert. Der Mann bedankt sich, seine Frau lutscht ungeührt an einem Kirschlolli.

Ungefähr 20 Meter weiter den Fluß hinab, an einer graffitibunten Unterführung, höre ich vor mir ein Jauchzen. Das Gesicht zum Geräusch ist ein vielleicht 11jähriges Mädchen. Ihr Entzückenslaut galt nachvollziehbarerweise dem kleinen Hund und sie fragt höflich, ob sie ihn streicheln dürfe. Sein Besitzer darauf: „Aber natürlich. Flocki ist sein Name.“. Darauf das Mädchen: „Ach, wie herzig.“. Dann bedankt sie sich und geht weiter.

In Berlin hätte sich die Situation wie folgt abgespielt: Die Unterführung hätte ungefähr gleich ausgesehen, wenn auch der Weg dahin zugemüllt. Das Mädchen hätte auch gejauchzt, vielleicht sogar noch gefragt, ob sie mal den Hund anfassen dürfe. Dann aber wäre folgendes passiert: a) der Hund hätte ihr Gesicht gefressen und sich somit über den Klassiker „Hausaufgaben als Mageninhalt“ hinausentwickelt, b) der Besitzer hätte gesagt „Dit lässte mal schön bleiben, Frolleinchen.“ c) (am wahrscheinlichsten) alle Anwesenden wären von einem riesigen Wahlkampftraktor in Form eines Damenschuhs, gefahren von Klaus Wowereit, niedergemäht worden. Ich übertreibe vielleicht ein bisschen. Es wäre eventuell nur ein Quadbike gewesen, das olle Klaus gefahren hätte.

Mein Einstieg, in puncto "Szenisch gelungen" vom Voldermort deutschsprachiger Aufschreiber namens Wolf Schneider wahrscheinlich zum Hinternabwischen benutzt, wobei er´s ja dafür erst mal hätte ausdrücken müssen, dieses Internet, ist eine Anekdote zum Erkennen dessen, was mir im Vorfeld meines Umzugs als unheimliche Dichotomie Zürich-Berlin angekündigt wurde, die es gemäß einem meiner legendären Schnellurteile nach knapp einer Woche in meiner Erfahrung gibt, aber auch nicht gibt. Die es manchmal nur gibt als Koketterie, als Spiel mit dem Ultimativziel des Distinktionsgewinns.

Das Spiel geht in beide Richtungen: So beschreiben in meinen ersten Tagen hier meine neuen Kollegen immer wieder gewisse Unterschiede und Eigenheiten, auf die es zu achten gelte. Ich solle auch nicht versuchen, Schwizerdütsch zu sprechen. Ich höre letzteren Hinweis so häufig, dass mir klar wird: Diese Menschen müssen gelitten haben. Jahrelange, tausendfache Mimikry-Schweizer in Einzelhandelsschlangen, beim Tanken, auf dem Amt, am Kaffeeautomaten in der Cafeteria! Ich bin über den Hinweis auch halbwegs überrascht, weil es mir bis dato gar nicht in den Sinn gekommen war, das mit dem Schwizerdütsch auch nur zu versuchen. Andererseits kann ich beim Nachdenken über den Fall andersherum: Ich träfe auf einen Ausländer in Deutschland und er versuchte nach ein paar Tagen Deutsch mit mir zu sprechen- keine entsprechende Abwehrreaktion feststellen. Es wäre mir schlichtweg egal, was wir sprächen, solange wir uns verständen. So halbwegs. Mit Händen und Füßen.

Ich denke weiter nach über die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten und die gegenseitigen Abgrenzungsäußerungen. Merke, dass für mich klar war, solange ich Bahnhof, Post, Kreisamt, Arbeitsbeginn verstehe, bin ich auf vertrautem Terrain. Merke, wie selbstverständlich ich das Verstehen der Sprache als funktionierende Basis eines Umzugs in dem für meine Verhältnisse gerade richtigen Anteil von Exotismus gewürzten neuen Ort meiner Eskapaden um Eiscreme und andere Lebensnotwendigkeiten gesehen habe. Wage die Vermutung, das Thematisieren der Eigenheiten ist die größte Eigenheit der Schweizer.

Stelle fest, dass es das gibt, was immer wieder als „unglaubliche Lebensqualität“ in der Schweiz beschrieben wurde: Höflichkeit, Dezenz, eine Stadt ohne Müll, Scherben, Hundehaufen in den Parks. Eine Stadt, die sich noch fremd anhört, ein bißchen wie Dialoge in Lise Gast-Büchern. Was nicht schlimm ist, die Welt muss nicht immer Jörg Fauser sein.


Stelle aber auch fest, bleibe dabei, dass es Universelles gibt, was nicht Weniger ist als das Streben nach Glück. Dass dies in Parametern läuft, die kulturell oder von Linien auf einer Karte abhängig sind: Geschenkt.

Das Erstehen eines 70er Jahre Occasionsvelos des Zürichers ist gleich die Markierung eines gottverdammten Fahrradwegs in Mexiko, einem der Länder mit der höchsten Wahrscheinlichkeit auf dem Rad überfahren zu werden, wobei dort Fortbewegungsmittel und Einkommen korrellieren und ein Rad sich nicht über die Schmalheit seine Reifen oder seinen "Vintage"-Appeal profiliert sondern seine schiere Existenz. Glück hat unterschiedliche Farben, Geschmäcker, Formen. Alle suchen´s. Alle treten sich beim Suchen danach dann und wann auf die Füße. Und alle wollen glauben, sie seien dabei einzigartig.

Dabei weiss jeder, dass das Glück nur in einem roten Damenpump, getragen von einem Hund namens Flocki daher kommt. Der in Esperanto bellt.

P.S. Unterschied:

Überflüssig zu sagen, wie ich die ersten Tage unterm Wasserhahn hing weil ich die Funktionalität der Duschumschalte nicht kapierte: Die Wasserhähne haben hier eine Vorhaut.






6 Kommentare:

Anne Bastian hat gesagt…

Hallo ^^ Auf die gefahr hin das ich ein wenig stalke, aber ich woltle nur mitteilen das ich dir via Kleiderkreisel wegen einem Kleid das du anbietest geschrieben habe ^^

Und warum haben die Wasserhähne da Gumminupsis auf O_o ich mein, nicht das es ohne die dinger weniger wehtun würde wenn man sich dran stößt.

monkeypenny hat gesagt…

Nee, weh tut das nicht. Am Gummi muss gezogen werden, dann kommt das Wasser aus der Brause und nicht mehr aus dem Hahn. Technik!
Kleiderkreiselantwort in Arbeit.
xoxo

Katja hat gesagt…

Diese Vorhaut solltest Du, glaube ich, ganz schnell einreichen:-)
http://accidentalpenis.com/

monkeypenny hat gesagt…

Der Server für die Seite ist over capacity...a hint???? Random Vorhautwasserhähne all over the world?

Anonym hat gesagt…

Einen solchen Wasserhahnen hab ich noch nie gesehen. Dabei bin ich ein waschechter Zürcher (frau beachte das fehlende I).

monkeypenny hat gesagt…

Ich schwöre, es gibt ihn!