Mittwoch, 10. November 2010

Märchenstunde mit Elefant

Jemand hat mir mal erzählt, an Journalistenschulen lernt man als erstes, mit einem Vorurteil an die Welt zu gehen, dass man dann überprüfe. Der Vergleich zwischen Vorgefundenem und Vorher gedachten, das sei dann der Bericht, die Reportage, der Film. Ich war auf keiner Journalistenschule. Ich war auf einer Universtität. Dort lernt man, dass selbst ein Vorurteil von der Welt nicht ohne ein bißchen vorherige Aneignung derselben entsteht. Zum Beispiel, indem man forscht. Zum Beispiel indem man liest, was andere erforscht haben. Zum Beispiel, indem man sich Wissen über die Welt aneignet, so vorläufig und veränderlich dieses auch immer sein mag.
Wenn ich mir Friederike Schröters heute erschienenen ZEIT-Artikel zur aktuellen Feminismus-Debatte, u.a. ausgetragen zwischen Kristina Schröder und Alice Schwarzer, ansehe, ahne ich, auf welcher Schule sie war. Statt sich mit der Anstrengung zu belasten, ihrem Meinungsartikel auch nur den Hauch der Beschäftigung mit Forschung zum Thema „Gleichberechtigung von Frauen“ voran zu stellen, baut die Autorin fleißig weiter an der Legende der Überflüssigkeit einer Feminismusdebatte. Ihr Argument geht in etwa so: „Wer über Feminismus redet, schadet seiner Sache, weil er dann so tut, als sei er nötig.“ Die Logik dahinter ist: Wenn ihr nicht auf den rosa Elefanten im Raum zeigt, dann wird er euch nicht zertrampeln, Mädels. Diese Logik ist, mit Verlaub, ein schlechter Witz und Frauen, die sie perpetuieren sind nicht nur doof, sie füttern auch so ganz nebenbei das Vorurteil, schlecht in Mathe zu sein.
Der Elefant wird euch treten, ihr könnt ihn ruhig benennen, Frauen! Nehmen wir als zum Beispiel die PR-Branche, ein Berufsfeld, in dem Frauen in den
USA seit über 20 Jahren, in Deutschland seit knapp 15 Jahren die Mehrheit bilden. Dies tun sie aber seit genau der gleichen Zeit und bis zum heutigen Tage eben nicht gleichmäßig im gesamten Berufsfeld verteilt sondern vor allem in den jüngeren Altersgruppen, den schlechter bezahlten Jobs und den rangniedrigeren Posten, Daten umfangreich nachgewiesen in den Forschungsergebnissen Prof. Romy Fröhlichs. Das heißt: Sie kommen zwar ohne Probleme ins Berufsfeld - und für Freunde vorschneller Urteile, die wir der Einfachheit ab heute „Schröter“ nennen wollen, wäre das alleine Zeichen für das Erreichen einer Gleichberechtigung- sie kommen aber im Job nicht nach oben. Der überwältigende Frauenanteil in den Gruppen der Berufsanfänger um die 20 wandelt sich ab 35 in eine Minderheit. Grund für das Opting Out, das freiwillige Verschwinden aus dem Berufsfeld: Die Unvereinbarkeit von Beruf und Kind. Die Debatte über Gleichberechtigung muss eben doch öffentlich geführt werden, verehrte Frau Schröter, solange ein Staat darin versagt, flächendeckende Kinderbetreuung ab dem Kleinstkindalter bereitzustellen. Nur so herrscht echte Wahlfreiheit, nur so kann sich Frau den Luxus der von Ihnen statt öffentlicher Debatte herbeifantasierten „Auseinandersetzung um Kinderbetreuung in den Partnerschaften“ leisten. Die im Übrigen für Millionen Alleinerziehende eine Fata Morgana bleibt. Und selbst wenn sie stattfindet in Partnerschaften, mal so ins Blaue geraten, immer vorraussehbar verläuft, solange Frauen, wie sie so niedlich formulieren „noch lernen müssen, Gehaltsverhandlungen zu führen.“. Derjenige, der schlechter verdient, bleibt beim Kind. Da wären wir wieder bei Mathe. Und derjenige, der schlechter verdient, ist meistens nicht der Er sondern eine Sie: So beträgt nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarktforschung der durchschnittliche Bruttostundenlohn in Deutschland von Frauen satte 23% weniger als der der Männer, EU-weit sind es 17%. Spaßfakt am Rande: In der PR sind es, einer 2009 veröffentlichten Berufsfeldstudie von Günter Bentele zu Folge, um die 40% Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern. In einem feminisierten, also mehrheitlich von Frauen besetzten Berufsfeld schon eine Kunst, die Mehrheit der darin Tätigen fast um die Hälfte schlechter zu bezahlen als den Rest. Sind Sie eigentlich schonmal auf die Idee gekommen, Frau Schröter, dass nicht diejenigen, die bei gleicher Arbeit schlechter bezahlt werden, schuld daran sind, dass es ihnen so ergeht und daher in der Verantwortung sind, diese Ungerechtigkeit zu beehnden, sondern dass vielleicht diejenigen, sie sie bezahlen etwas damit zu tun haben könnten? Die Selbstverständlichkeit, mit der „Verhandlungsgeschick“ von Frauen gefordert wird und das Erlernen eines idiotischen Spiels der Selbstvermartktung und des Unterbeweisstellens des eigenen Wertes in Orientierung an der benchmark „Mann“ anstelle das Abschaffen des idiotischen Spiels selbst, ist entlarvend für die Schröters und die Schröders dieser Welt. Sie wollen den Elefanten lieber in der Schöner Wohnen-Farbe ihrer Zimmerwand tapezieren auf dass er verschwindet als ihn ein für alle Mal rauszuschmeißen. Wobei so ein Rausschmiß ja praktisch wäre: Endlich Zeit, als Wappentier von Journalistenschulen aufzutreten. Irgendwas sagt mir, dass sich Wolf Schneider liebend gerne darauf reitend durch Hamburg begeben würde. Wenn er dann an der ZEIT vorbeikommt, kann er Frau Schröter winken. Wenn diese nicht gerade beschäftigt ist, mit ihrem Partner die Aufgabe der Kinderbetreuung auszudiskutieren. Weil sie dafür ja Gottseidank keinen Staat mehr braucht.


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2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

immer wieder der Fehler, nur den derzeitigen Ist-Zustand, und nicht die Entwicklungslinie zu betrachten

monkeypenny hat gesagt…

Absolut. Mich schockiert das Ausmaß der Oberflächlichkeit. Leitmedium ZEIT und so. Beängstigend.