Dienstag, 12. Juli 2011

Ausser Sichtweite

Netz macht, dass du deine Bekanntschaften splittest in Virtuelle und Analoge.

Mobiles Netz katalysiert die Schnittmengenherstellung, einmal nach Irgendwem zum Kaffeetrinken in Irgendwo fragen, Schwups kriegst du Irgendwas, mindestens aber erstmal einen Kaffee in Irgendwo. Oder Kekse aus Irgendwo. Tweetup, heißt das dann, analoger Brennwertgewinn durch digitale Vernetzung.

New Year's Eve, NYC, 1965 (Kiss me, stupid)

Wir kaufen mobilen Zugang zur permanenten Verfügbarkeit und zum Verfügungstehen unserer Lifelines: Den professionellen, den emotionalen, den höheren Gewalten (wetter.com).

Wir kleben an Geräten, senken den Blick, um in so einer digitalen Erbaulichkeitskrücke von 140 Zeichen zu lesen: „Blick heben!“. Die Verarbeitung dieser Daten nimmt die Zeit in Anspruch, die wir nutzen könnten, eben dies zu tun: Den Blick zu heben und wenn schon nicht schweifen zu lassen, dann mal rüber zu wuchten, zu unserem Gegenüber. Alas poor us: Er scrollt durch seine iTunes.

Mit anderen Worten: Ich glaube, ich schaue zuviel auf Bildschirme.

Der Witz an der Mobilität und der Dynamik ist, dass wir sie beherrschen müssen, um Stabilität zu wahren: Die unserer Existenzsicherung, Beziehungen, der gottverdammten Parkkarte für dein Auto, die immer nur für ein Postleitzahlengebiet gilt und nein, es zählt nicht, dass am Samstag keine Straßenverkehrsämtliplakettenstelle Zeit für dich hat.

Um zu sichern, was ist: Monetär, Emotional, musst du dich bewegen.

Wer das bezweifelt, stand noch nie an einem Sonntag Abend auf einem Bahnsteig und sah die vielen hauptberuflichen Mischgewebsträger, wie sie die Nasen aneinanderreiben bevor sie sich einmal mehr für 5 Nächte in jeweils anderes betitelte Orte mit Stadtrecht, Bahnanschluss und fakultativ Landesregierungssitz zurückziehen. Damit A und B sich in C treffen können, müssen sie genug Geld verdienen, um Bahnfahrten und Zweitwohnsitze zu finanzieren. Weil A keinen Job in D, der gemeinsamen Heimatstadt findet und B sich gerne die Geschichte über sich selbst glauben würde, eine im Grunde genommen unabhängige, weltinteressierte und für neue Eindrücke offene, ihnen geradezu nachhungernde Person zu sein, wählt man nun Option E: Elend Wochenendbeziehung.

Das Glück in Minuten, irgendwo zwischen Trockenreinigung, Steuererklärung und Zoobesuch mit Patenkindern.Was das bringt? Ein volles Meilenkonto, einen konfusen Kopf, Erledigungen on the go, ständige Verfügbarkeitserwartung an sich selbst und Andere, kein Ankommen, nirgends.

Wenn ein mit dem großen Löffel gegessenes Leben bedeutet, sich einzulassen, bedeutet das eben auch: Nicht mehr rauskommen aus den Chosen. Oder unter Windungen. Oder dem gewunden werden. Die Hoffnung bleibt, das man so verdreht noch den Refresh-Button findet.


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