Sonntag, 5. August 2007

judging gaymi

Im Titel des heutigen Posts hat sich ein sehr schlechtes Wortspiel versteckt, das zwar nicht dem Pressekodex widersprechend mit Namen hantiert, jedoch mit dem Titel einer von mir sehr geschätzten Vox- Nachmittagsserie, in der es um seriöse Familienprobleme einer Richterin und ihre Haarlänge geht. Ich bitte dies im Vorfeld zu verzeihen, wollte ich doch in meiner Titelwahl noch subtil bleiben, was das aktuelle Thema meiner irrelevanten Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen angeht.
Nun aber genug der Spannung. Vorraussehbarerweise geht es mir heute darum, meine (vorurteilsbeladenen, von erschreckend naiven Vorstellungen geleiteten) Feldforschungen zu schwulen Männern in der Hauptstadt publik zu machen.
In einer Stadt, die von einem Mann regiert wird, der sich selbst "Wowi" nennen lässt, aussieht wie ein Rosamunde-Pilcher-Hauptsendezeit-Quotenbringer-Darsteller und wahrscheinlich auch noch nach 14 Stunden Marathonverhandlungen mit den Karstadthemden- Trägern der Opposition aussieht wie frisch geduscht, ist es nicht verwunderlich, das einem beim Besuch eines schwulen Tanzabends zunächst einmal die Kinnlade herunterfällt beim Anblick der Gästeschar: Noch niemals zuvor habe ich soviele so gut aussehende, athletische Männer mit Muskelhemden, die sie wirklich gut ausfüllen, zusammen in einem Raum gesehen, ohne dass es sich beispielsweise um eine Vox-Reportage über Fitnessstudios handelte.
Keine Haarunfälle wie die in Hetero-Jungmänner-Kreisen beliebten Langen-Haare-Mit-Zopfgummi, exakt getimte, zufällig aussehende 3-Tage-Bärte, hier und da ein wenig zu schmal gezupfte Augenbrauen (aber das wächst ja wieder nach), äußerst definierte und rasierte Oberkörper:
Insgesamt wird eine schockierend deutliche Niederlage der Heterosexuellen in einem imaginären Aufmachungsvergleich der Nachtaktivität deutlich.
Mein großartiger Begleiter, der mich dankenswerterweise zu der "+1" auf seinem Gästelisten-Platz gemacht hat (wobei wir beide halb-hysterisch kichernd unseren großen Gang samt arroganten Blicken an der Schlange vorbei zum Eingang planen, um dann enttäuscht festzustellen, dass es nicht wirklich eine Schlange gibt, und die Armseligkeit unseres Verhaltens ist uns dabei zum Glück noch relativ bewusst), scheint interessanterweise die Hälfte der anderen Gäste zu kennen, meist durch semi-sexuelle-Eskapaden.
Das sorgt im Laufe des Abends für viele unverhoffte Zusatzinformationen zu den anatomischen Eigenheiten jener Gäste.
Auch sehe ich nun einige Leute in "echt", die mir mein Begleiter zuvor nur auf gayromeo.com gezeigt hatte. Das ist eine Art virtueller "Supermarkt der Schwänze", wie ich irgendwann nach Ansicht des 34. Profilfotos eines Users (und seiner Genitalien) bemerkte. Eine Formulierung, die mein Begleiter sehr treffend fand, was ihn jedoch nicht davon abhielt, in einer Art Chat einen armen, 18jährigen Jungen in der US- Provinz dazu bringen zu wollen, sich vor seiner webcam auszuziehen.
Der liebe Junge darf noch keinen Alkohol trinken, erfreut sich aber schon an den unendlichen Möglichkeiten, als Masturbationsvorbild zu dienen, die das Internet so bietet.
Ich schätze mal, vor dem Internet haben sich diese jungen Leute in Briefen ausgezogen. Oder auf Postkarten. Insofern möchte ich diese Bemerkungen ausdrücklich nicht als Kritik an meiner Lieblingslebenszeitverschwendung namens world wide web verstanden haben.
Das eindeutig Beste am ganzen Abend ist übrigens und vorraussehbarerweise die Musik der Veranstaltung. Abgesehen von einem halbherzigen Elektrofloor (den außer denjenigen, die in ihren gayromeo- Profilen Gasmasken tragen, niemand besucht, und auch die machen das meiner Meinung nach nur wegen des Trockennebels vor Ort) ist diese Party ein Fest für jeden, der schon einmal ungestraft an einem Abend zu Jennifer Lopez, Britney Spears UND Mariah Carey tanzen möchte.
Worte können nicht beschreiben, wie viel Spaß es macht, zu der wohl schlechtesten Retorten- Popmusik des Planeten abgehen zu können, ohne ständig ängstlich darauf achten zu müssen, auch noch irgendwie cool auszusehen um potenzielle (Sex-/Lebens-)Partner anzusprechen. Es ist sehr entspannend, zu wissen, dass man für 100 Prozent der restlichen Anwesenden in jenen Punkten gar nicht erst IN FRAGE kommt. Das nimmt sehr viel Stress aus der Situation für eine so betörende Partykönigin wie ich es bin, die sich bei heteronormativen Tanzveranstaltungen nur mit Mühe die sie antanzenden, begehrlichen Testikelträger vom Hals halten kann.
[In den letzten Absatz hat sich ein Fehler eingeschlichen. Wer ihn findet, kann exklusiv mein Rezept für Möhrensuppe ohne Ingwer erhalten.]
Kann es etwas besseres geben, als an einem Abend nicht nur zu der A- Teens Version von "Mamma Mia" sondern gleich 2 mal zu "All I want for christmas is you." zu tanzen?
Im AUGUST?
I don´t think so.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Großartig!

Anonym hat gesagt…

Traumhaft! Auch ich hege eine geheime Leidenschaft für Mariah Carey Songs. Die gutgebauten, traumhaft gestylten Männer der Szene run um den Nollendorfplatz sind auch grundsätzlich attraktiver als ihr heterosexuelles Pendant. Bierbauch und Oberlippenbart ist eben nur noch in Asikneipen in. Ich weiß das, ich hab zwei vorm Haus!

Anonym hat gesagt…

Ja, der dresscode "Jeansweste und geplatze Adern auf der Nase" ist auch in unserem Viertel ganz groß angesagt...wären nicht die Strandkörbe vor den Eiscafés, ich wäre längst in Schöneberg.