Donnerstag, 31. Januar 2008

Cranky old Marktforschungswrecker

Es gibt viele Themen, zu denen ich gerne mal befragt werden würde, vorzugsweise in einer erfolgreichen nationalen TV- Sendung, wie sie die neuerdings irgendwie teigig aussehende Sandra Maischberger vorgibt, zu moderieren. In meiner Themenwahl wäre ich nicht wählerisch: Von Mindestlohn bis Manfred Schell: Mein aus dem Internet und den Punkt 12 Promi-News zusammengeklaubtes Halbwissen würde noch jeder von frustrierten Redationspraktikanten erarbeiteten Fragen standhalten, wenn auch nur, indem ich die Frage lobe um dann über etwas anderes zu sprechen, beispielsweise warum Barbara Herzsprung Deutschland regieren sollte (Wir wären alle betrunken, faltenfrei und glücklich. Wir würden vielleicht verfaulen, aber wir wären glücklich.).
Kürzlich wurde ich jedoch zu einem Thema befragt, dem ich in meiner gesamten Lebenszeit wahrscheinlich 15 Sekunden gewidmet habe weil ich der festen Überzeugung bin, dass es ein untrügliches Zeichen von Hirnverrottung ist, wenn man diese Zeitspanne überschreitet: Gegen Bezahlung sollte ich das tiefgreifende Menschheitsproblem der Lippenpflege mittels Lippenpflegestift erörtern.
Zu diesem Zwecke sollte ich mich in einem Raum mit 6 anderen Frauen (denn den Kopf vor allem als Schminkmurmel anzusehen ist nunmal noch immer ein vor allem weibliches Attribut) einfinden, von denen mir jede Einzelne auf den ersten Blick unsympathisch war, was daran gelegen haben könnte, dass sie alle 2 Jahre jünger waren als ich (angeblich!), von ihren diversen Auslandsaufenthalten berichteten und ihren ambitionierten Berufsplänen ("Ich bin freie Tänzerin und habe ein Yogastudio. Das letzte Jahr war ich fast ausschließlich in Brasilien."
Ich nehme an, dort versucht sie mittels Kopfstand den Kindern das Töten abzugewöhnen.) während ich, dank einer Absprache in der Einladung, meine wahren, total akademischen whereabouts verheimlichen musste und stattdessen vorgeben musste, Sekretärin zu sein, liiert und interessiert an Lippenpflege aus dem Schleckermarkt. Die Erniedrigung dieser Spaßidentität wurde im Vorfeld alleine dadurch maximiert, als dass ich 3 mal gefragt wurde, ob ich mir diese minimalen Modifikationen meiner wahren Identität auch merken könne. Wiederholt mit mir zusammen: Ich war NICHT zufrieden.
Jedenfalls bestachen die anderen Teilnehmerinnen durch die Art von oberflächlicher, dümmlicher Uninformiertheit, die sich als Mädchenhaftigkeit tarnt und zunächst einmal durch ein unheimliches Ernstnehmen eines Themas wie Fettstiften mit Parfüm illustriert wird.
Es ist mir unmöglich, eine Frau zu respektieren, die mit weit aufgerissenen Augen am Rande der Hysterie mehrfach vor der Suchtgefahr durch Labello warnt. Ich erkannte schnell, dass ich nur durch eindeutige Abwehrhaltung meinem erklärten (Lebens-) Ziel mittels minimalen Einsatz maximalen Erfolg zu erzielen, näher kommen könnte, was ich mit Schweigen, verschränkten Armen und dem Abräumen des Erfrischungsbuffets forcierte. Zum Eklat zwischen den Fettstiftenthusiasten und mir kam es erst, als ein Werbekonzept verlesen wurde, dass in etwa so ging:

"Heute morgen hat mich jemand in der Bahn angelächelt und mein ganzer Tag war gleich viel schöner. Ich sollte viel öfter ein Lächeln verschenken. Mit Labello kann ich mein schönstes Lächeln geben."

Nur mit Mühe konnte ich den Lachanfall, der sich mir aufdrängte in ein verächtliches Aufstöhnen abbiegen, was von den Mädchen mit befremdeten Schürzen der pomierten Lippen bedacht wurde. Der sich nun entspinnende Konflikt zwischen den international Fettstiftfriends und mir hier verkürzt:

Unsympathische Brünette mit häßlichen Turnschuhen: "Also, ich finde das total klasse. Das kenne ich von mir selbst auch. Heute morgen hat mir jemand auf den Fuß getreten in der Bahn und dann hat der mich angelächelt und ich habe zurückgelächelt und alles war easy...ich finde das gut."

Unsympathische Blondine mit Überbiß: "Ja, genau, das ist so...realistisch."

Ich: "Äh.... NEIN! Das ist ja wohl alles andere als realistisch. es gibt einen GRUND, weshalb man sich morgens in der Bahn nicht anlächelt. NIEMAND MÖCHTE DORT SEIN! Und außerdem sind die, die Lächeln auch in 99 Prozent aller Fälle die Leute, die mit sich selbst sprechen, in Plastetüten ihr Hab und Gut mit sich rumtragen und vor denen man im Grunde genommen Angst hat!"

Betretenes Schweigen.

Beim Verlesen eines weiteren Konzepts konnte ich meine Rolle der verbitterten Herbergsmutter noch um die Facette des unangebrachten Sarkasmus erweitertern, was bei dermaßen leicht zu beeindruckenden Pflegeproduktauskennerinnen (die unsympathische Brünette zählte arrogant ihre 5 verschiedenen Lippenpflegeprodukte auf, darunter eins von "Kiehls"...what the fuck? In was für einer Welt leben wir, in der Frauen für Lippenpflege 8,50 $ und damit soviel ausgeben wie für ein moderates Betrinken und/oder ein gutes Taschenbuch?) zugegebenermaßen nicht allzu schwierig ist. Den Werbetext "Ich möchte immer schöne Lippen haben, schließlich weiß ich nie, wann ich das nächste Mal küsse." quittierte ich mit einem fröhlichen "Ach, eine Hure!", woraufhin das dämlichste dieser Chicks (sie trug einen coralle-farbenen Pashmina, silberne Creolen und bestand darauf, "so sexy Werbung und so" scheiße zu finden während sie die Stiefel, in die sie ihre Jeans gequetscht hatte mit Sicherheitsnadeln verschließen musste) meinte, mir die Welt erklären zu müssen indem sie sagte: "Nein, ich glaube, hier geht es um so ...emanzipierte, junge Mädchen, die halt nicht so wählerisch sind oder so.".
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll beim Beschreiben der Fehler in dieser Aussage, daher belasse ich es dabei, euch meiner Hirnschmerzen zu versichern. Marktforschungshure zu sein erweist sich als Kopfschmerzfördernd.

11 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

i love you, miss bonette!!!! jaaaa!!! der kommentar mit der hure, hach, es ist HERRLICH. also ICH bin zufrieden.

Anonym hat gesagt…

Ich fand mich auch gut! Chapeau aber auch für deinen Blog und die kleine Erinnerung an goldene Momente der Vormittagsfernsehunterhaltung mit diesem Link:
http://youtube.com/watch?v=J7CiXP7jtJM
Leider teile ich meine Lieblingsantwort mit Rollo the Clown.

Anonym hat gesagt…

jawohl, das mit dem "kind" find ich auch genial. wobei ich auch über die verfeinerung von milchreis mit "milch" lachen muß und über die allseits bekannte stadt mit C: zwickau!

Anonym hat gesagt…

"Was kann man aus Steinen machen?"
- "Steinmenschen bauen!"
Beste. Antwort. Aller. ZEITEN!

Anonym hat gesagt…

Immer wieder shocking wieviele Menschen in unserem Alter absolut humorfrei sind.

Wäre ich da gewesen, hätte ich irgendwann ganz laut und hysterisch geschrien: "I'm NOT bitter!"

Anonym hat gesagt…

jaja, die Marktforschung.

Geht da eigentlich noch irgenwer als "er/sie selbst" hin? Nachdem ich - der es in seinem langen Leben vielleicht auf insgesamt 2 Kisten Bier gebracht hat - einmal 2Stunden im Einzelgespräch über die Vorzüge von Weißbier referierte, weiß ich wie sich Life-Comedy anfühlt. Der nächste Termin war der Beste: ich war eingeladen und fiel per Los aus der Gruppe heraus - 45 Steine für 15 Minuten Wartezeit. An den Stundensatz könnte ich mich gewöhnen!
Leider endete meine Karriere dann sehr plötzlich nachdem ich nicht bereit war als "Vorbereitung" für eine Runde übers OnlinePokern" mir sämtliche Pokerarten, Spielzüge, etc. anzueignen. Über Lippenstift hätte ich wahrscheinlich mehr zu sagen (wozu schmiert ihr euch das Zeug eigentlich ins Gesicht? Die Natur betont doch auch bei Pavianweibchen eher den Analbereich mit einem kräftigen Rot, oder? Vielleicht hättest Du darüber referieren sollen? ).

By the way: Wer oder was zum Teufel ist Pashmina?

Anonym hat gesagt…

pashmina, diese wolle, diese von den armen ziegen, oder? quuuaaalvolle bedingungen. wächst nur am bauch!
kann mich auch irren.

Anonym hat gesagt…

Dochdoch. Und verwunderlich, dass gerade das Kampfkaninchen mit Angoravorkenntnissen so unwissend bezüglich Luxuswolle ist. Wo doch die Weißbierfinte von übermenschlichen Wissensvortäusch (fürs Studium unerlässlich)- Skills zeugt. Es ging übrigens um LIPPENPFLEGE, nicht Lippenfarbe. Dieses Missverständnis hätte dich bei den pomierten Grazien den Kopf gekostet, mein Lieber.

Anonym hat gesagt…

ich habe übrigens gerade einen sensationellen artikel gefunden und gelesen, und mußte sofort an dich denken! ich meine, tips wie: "Taktik: Kaufen Sie ihr Schuhe, das wirkt dreifach. Erstens wird sie glücklich sein, dass Sie endlich erkannt haben: Es gibt nichts Befriedigenderes für eine Frau als Pumps." sind doch sehr hilfreich, wa.

hier mehr:
http://portal.gmx.net/de/themen/lifestyle/liebe/sex/4269058-Noch-mal-Schatz,cc=000000156300042690581EBHOK.html

Anonym hat gesagt…

Genau. Nichts sagt mehr "ich liebe dich!" als Fick mich- Schuhe. Die kauf ich mir doch lieber selbst. Und nenne sie "Fick dich- Schuhe.". Postfeminismus, Alta!

Anonym hat gesagt…

wollte nur kundtun, die michaela hat ein neues passwort. frag lieber nicht,warum.
11leser
das ist es.
sags auch kristin!