Sonntag, 14. Januar 2007

Increase your nerdiness

Der "Spieleabend" ist im Grunde genommen ein Relikt aus der Zeit, als man als Heranwachsender einen Führerschein und den freien Zugang zu alkoholischen Genüssen noch nicht sein eigen nannte (wobei die Kombination dieser Freuden gesellschaftlich eher geächtet wird. Zu...Recht, es sei denn, ich hatte nur ein Glas) und sich dementsprechend einmal in der Woche mit Freunden (oder den Leuten, die man aufgrund mangelnder Auswahl so nannte) zum geselligen Beisammensein bei jemanden zu Hause traf, der Alkohol im Angebot hatte und absente Eltern. Beliebt waren Spiele wie Activity, bei denen man durch zunehmende Betrunkenheit den durch den Spielverlauf absehbaren Grad an uriosität der eigenen Bewegungsabläufe (und/oder Denkprozesse) ins Untermessliche steigern konnte. Das konnte lustig sein oder auch nicht, entscheidend war stets die Mischung der Anwesenden (und ihr Promillewert). Richtig peinlich wurden Spieleabende erst, als er in Lokale ausgegliedert wurde. Nichts macht einen Samstagabend unsexier als Mathematikstudenten, die Schach oder Uno in einer Bar spielen und sich dabei an einem Hefeweizen festhalten. Beobachtungen wie diese haben den Spieleabend zu Recht in Verruf gebracht.
Um so erstaunlicher, dass ich trotz dieses (gefühlten) Wissens meinerseits den Samstagabend bei einem Spieleabend in einer Wohnung meines Vertrauens verbrachte. Das einzige mir bekannte sympathische Pärchen hatte ein anderes Pärchen zu Gast um einen Klassiker der Nerd- Unterhaltung zu spielen: „Die Siedler“, das Brettspiel. Meine Einladung dazu nahm ich zunächst nicht weiter ernst, ich hielt das Spiel für einen Vorwand, sich zu betrinken (so war ich schließlich sozialisiert) und sagte daher freudig zu. Umso größer meine Überraschung, als sich schließlich herausstellte, dass das betreffende Spiel in manchen Kreisen semi- religiös verehrt und gehandhabt wird. Mit anderen Worten: Das war kein Spiel, das war Anforderung der Klasse eines Wahlpflichtfachs in der Schule. So wie ich die halbstündige Spielerklärung verstand (bei der ich zugegebermaßen aufgrund meiner lächerlich geringen Aufmerksamkeitsspanne alle 3 Sekunden abschaltete und mich in eine „Donna Summe- Tribute Party“ träumte), muss man richtiggehend eine Art...Land erschaffen mit Universität, Bibliothek und allem ChiChi. Es folgten 4 Stunden intensivster Anstrengung meinerseits, eine gute Landesmutter zu sein und mich eifrig in Erbauen, Beschützen und Ausbauen meiner paar Siedlungen bemüßigte. Unterm Strich war ich so eine Art...Kasachstan, mit gut ausgebautem Militär aber quasi keinerlei Bildung im Land. Ein Kloster genügte mir. Wie dem auch sei: So richtig gecheckt habe ich diese komplizierte Mischung aus Würfeln, Karten Ziehen und Mitspieler verärgern bis zum Ende nicht. Schließlich verlegte ich mich in alter Gewohnheit darauf, den sich abzeichnenden Gewinner scherzhaft zu beleidigen und das Spiel einfach dadurch zu gewinnen, dass ich am Ende übrig blieb. Ich scheiterte.
Ich möchte betonen, dass keiner der Anwesenden ein Nerd war oder so aussah. Das heißt, vielleicht ist ein Nerd in jedem von uns versteckt, der nur darauf wartet, von einem Brettspiel hervorgeholt zu werden. Ich schließe mich selbst ausdrücklich aus. Der Nerd in mir ist längst getötet worden von der Couchkartoffel und dem TV- Freak bzw. spätestens von dem Alkoholiker. Abgesehen von Soiltär und FreeCell hat mich noch kein Spiel sonderlich gefesselt (und FreeCell auch nur solange, wie ich versucht habe, es zu kapieren, ohne die Regeln zu lesen). Obwohl der Gedanke, ein Land zu erschaffen (und zu beherrschen) ja eigentlich was für mich ist. Aber solange das auf einem Brett stattfindet, hat das Ganze einfach zu viel von Spence Olgin.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich danke für diese offenen Worte zum Thema unseres Misstrauens. Auch ich bin nur gut in Spielen, deren Regeln ich nicht verstanden habe. Bis heute mag niemand mehr mit mir Monopoly spielen, seit ich einst erst mein Vermögen in die Schweiz transferierte und dann den Besitzer zweier Hotels auf der Schlossallee im Rahmen einer proletarischen Revolution einteignete. Können Proletarier Konten in der Schweiz haben - ich denke schon. Ist ja schließlich nur ein Spiel. Gute Unterhaltung bieten lediglich zwei Spiele: Super Mario Land 1 und 2, und aufgrund der Anlage eines Gameboys für eine Person werden diese niemals der Gefahr ausgesetzt, bei Spieleabenden degradiert zu werden. Ich bin sehr froh.

Anonym hat gesagt…

Ich war ja immer ein Sega- Kind. Sonic the hedghog, das war meine Welt. Mario (und Luigi) gab es für mich nur au den durchgenudelten Konsolen wichtigtuerischer Freunde. Eine schlimme Zeit ("Wie, du weißt nicht wer Wario ist?")